Schwache Blase & Probiotika, Vitamine, Sex: Neues aus der Forschung

Veröffentlicht am: 17.08.2022

Lässt sich der steigende Antibiotikaverbrauch bei Harnwegsinfekten durch Probiotika eindämmen?
Was hat Vitamin D mit der Blase zu tun? 


   

Harnwegsinfekte: Probiotika statt Antibiotika 
Rezidivierende Harnwegsinfektionen führen zu einem hohen Verbrauch von Antibiotika.1 Als Alternative geistern immer wieder Probiotika mit den Ihnen zugeschriebenen gesundheitsfördernden Eigenschaften durch die Fachzeitschriften. Könnten sie ein probates Mittel gegen den hohen Antibiotikaverbrauch sein? Tatsächlich sind erste Studien in Tiermodellen vielversprechend: Sie zeigten, dass intraurethral und intravesikal instillierte Lactobacillus-Stämme experimentelle Harnwegsinfektionen verhindern konnten.2 Bei uns Menschen scheint sich dieser Effekt bisher aber nicht zu bestätigen. Ein Cochrane Review aus dem Jahr 2017 kam zu dem Schluss, dass es bis dahin keine Hinweise darauf gab, dass eine intravesikale Instillation mit probiotischen Stämmen bei Patienten mit neuropathischer Blase zur Reduzierung von Harnwegsinfekten beiträgt.3 Bemängelt wurde aber, dass die Daten aus kleinen Studien mit hohem Verzerrungspotenzial stammten. Doch auch in einer aktuellen Studie aus dem Jahr 2019 konnte kein präventiver Effekt von Probiotika festgestellt werden.4 Zudem scheint auch die Gattung und Art der instillierten Bakterien keinen Unterschied zu machen – jedenfalls bei Lactobacillus und Bifidobacterium.4

Eines ist aber sicher: Schaden können Probiotika jedenfalls nicht. Dies wurde jetzt erneut durch eine investigative Phase 1a-Studie bestätigt. Sie zeigte, dass die einmalige intravesikale Instillation von Lactobacillus rhamnosus GG sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen mit neuropathischer Blase sicher und gut verträglich ist.5

 


Vitamin D & überaktive Blase: Wie hängen sie zusammen? 
Vitamin D kann sich auf die Symptome des unteren Harntraktes (LUTS) auswirken. So scheint ein Vitamin-D-Mangel z. B. die Symptome der überaktiven Blase (ÜAB) zu verschlimmern, darauf deutet eine Studie an Männern mit LUTS hin.6 Dabei waren die LUTS-Symptome im Winter am stärksten ausgeprägt – also dann, wenn die Vitamin-D-Spiegel für gewöhnlich am niedrigsten sind. Außerdem zeigte sich: Erhöht man bei den erwähnten Patienten den Vitamin D-Spiegel, scheinen sich die ÜAB-Symptome zu lindern.6 Auch weitere Studien deuten darauf hin, dass die Beurteilung des Vitamin-D-Status bei Patienten mit ÜAB gerechtfertigt sein kann:

  • Eine aktuelle Studie deutet auf den Einfluss von Vitamin D auf die Psyche von ÜAB-Patienten hin: Neben den diuretischen konnten auch die psychologischen Symptome sowie die Lebensqualität bei Patienten mit ÜAB-Syndrom durch die Vitamin D-Supplementation in Kombination mit einer verbesserten Kalziumzufuhr verbessert werden.7
  • Bei älteren Erwachsenen sind Vitamin D-Mangel und -Insuffizienz unabhängige Begleitfaktoren der überaktiven Blase (ÜAB). Dies lässt sich durch die Wirkung von Vitamin D auf das Muskelwachstum und die Funktion erklären.8
  • Auch bei postmenopausalen Frauen könnten die Symptome der Harninkontinenz mit Vitamin D um 40 % reduziert werden, so die Ergebnisse nach einer 12-wöchigen Calcidiol-Supplementation (inaktive Vorstufe des Vitamin D). Diese wirkte sich auch positiv auf andere Blasensymptome, die Beckenbodenmuskelfunktion oder den Funktionsstatus aus. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Die Effekte waren erst ab einem Vitamin-D-Level von 30 ng/ml klinisch relevant.9

 


Schlechter Sex dank Inkontinenz 
Ist einer der beiden Partner von einem unfreiwilligen Urinabgang beim Geschlechtsverkehr betroffen, wirkt sich das insbesondere bei Frauen negativ auf die Sexualfunktion aus. Dies äußert sich u.a. durch den Rückgang der Geschlechtsakte.
10 Auch bei älteren Paaren kann die sexuelle Gesundheit durch eine koitale Inkontinenz leiden.11 In einer türkischen Studie mit 436 perimenopausalen Frauen wurde beobachtet, dass das Sexualleben in weitaus mehr Aspekten durch eine koitale Inkontinenz und anderen LUTS beeinträchtigt wird: geringerer Sexualtrieb, Orgasmusprobleme, geringere Orgasmusintensität, fehlende sexuelle Erregung, Schmerzen und vorzeitige Ejakulation beim Partner.12 Auch die Psyche leidet: Neben der sexuellen Dysfunktion kann eine Harninkontinenz auch mit einer depressiven Störung einhergehen – bei beiden Geschlechtern und unterschiedlichen Arten von Harninkontinenz.13

Die gute Nachricht: Ob inkontinent oder nicht, die weibliche Sexualfunktion und Zufriedenheit ist zum größten Teil von der sexuellen Funktion des Partners abhängig.10

 



Quellen:
1. Bischoff A. Akute Harnwegsinfektion: Auch ohne Antibiotika zum Ziel. Dtsch Arztebl 2016; 113(51-52): A-2388
2. Lee JW et al. Preventive Effects of Lactobacillus Mixture on Experimental E. coli Urinary Tract Infection in Infant Rats. Yonsei Med J 2013;54(2):489-493 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3575986/pdf/ymj-54-489.pdf; zuletzt abgerufen: September 2019).
3. Toh S-L et al. Probiotics for preventing urinary tract infection in people with neuropathic bladder. Cochrane Database Syst Rev. 2017; Sep 8;9:CD010723. doi: 10.1002/14651858.CD010723.pub2. (https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD010723/full; zuletzt abgerufen: September 2019).
4. Toh S-L et al. Probiotics [LGG-BB12 or RC14-GR1] versus placebo as prophylaxis for urinary tract infection in persons with spinal cord injury [ProSCIUTTU]: a randomised controlled trial Spinal Cord (2019) 57:550–561 (https://www.nature.com/articles/s41393-019-0251-y.pdf; zuletzt abgerufen: September 2019).
5. Forster CS et al. A single intravesical instillation of Lactobacillus rhamnosus GG is safe in children and adults with neuropathic bladder: A phase Ia clinical trial. J Spinal Cord Med 2019;17:1-8. doi: 10.1080/10790268.2019.1616456.
6. Yoo S et al. Impact of serum 25-OH vitamin D level on lower urinary tract symptoms in men: a step towards reducing overactive bladder. BJU Int 2018;122:667–672.
7. Abdul‐Razzak KK et al. Overactive bladder and associated psychological symptoms: A possible link to vitamin D and calcium. Neurourology and Urodynamics 2019;38(4): 1160–1167 (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/nau.23975; zuletzt abgerufen am 22.08.2019).
8. Kilic MK et al. Hypovitaminosis D is an independent associated factor of overactive bladder in older adults. Archives of Gerontology and Geriatrics 2016;65:128–132.
9. Markland AD et al. Comparing Vitamin D Supplementation Versus Placebo for Urgency Urinary Incontinence: A Pilot Study. Journal of the American Geriatrics Society 2019;67(3):570–575.
10. Lim R et al. Female Urology, Urodynamics, Incontinence, and Pelvic Floor Reconstructive Surgery Sexual Function in Couples With or Without Female Incontinent Partners: Correlates and Predictors. Urology 2018;112:46–51.
11. Lee DM et al. Urinary incontinence and sexual health in a population sample of older people. BJU Int 2018;122(2):300–308.
12. Bilgic D et al. Sexual function and urinary incontinence complaints and other urinary tract symptoms of perimenopausal Turkish women. Psychology, Health & Medicine 2019; DOI:10.1080/13548506.2019.1595679.
13. Sarikayaa S et al. Urinary incontinence as a cause of depression and sexual dysfunction: Questionnaire-based study. Rev Int Androl 2018 (https://doi.org/10.1016/j.androl.2018.08.003; zuletzt abgerufen: September 2019).

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