Machen Antidepressiva abhängig?
Veröffentlicht am: 18.11.2024
Während bei rein körperlichen Erkrankungen die Einnahme von Medikamenten heute weitgehend gutgeheißen oder doch akzeptiert wird, ist das bei psychischen Erkrankungen, wie etwa bei deiner Depression, nach wie vor nicht der Fall. Die moderne Medizin begreift psychiatrische Erkrankungen schon längst als „Stoffwechselstörung“, die beispielsweise durch einen gestörten Neurotransmitterhaushalt verursacht werden.
Antidepressiva stoßen häufig auf durch Vorurteile begründete Ablehnung.
Depressive Menschen zeigen häufig auch körperliche Symptome, wie Schlafstörungen, und leiden unter kognitiven Auswirkungen wie Konzentrationsmangel und unter negativen Verhaltenssymptomen, dazu gehört eine verstärkte Gereiztheit. Sie schleppen sich oft allzu lange mit einer reduzierten Lebensqualität dahin und vermeiden trotzdem konsequent die Einnahme von Medikamenten, denn der Begriff Psychopharmaka ist für viele Menschen mit Angst verbunden. Das wurzelt in den Entwicklungen der 60iger und 70iger Jahre als die ersten Medikamente von Pharmakritikern nachhaltig wegen der damals sehr starken Nebenwirkungen kritisiert wurden. Depressionen sind heutzutage sehr gut behandelbare Erkrankungen.
Das Vorurteil von Sucht und Persönlichkeitsveränderungen
Viele Menschen fürchten von Antidepressiva abhängig zu werden. Diese Furcht ist unbegründet. Antidepressiva machen nicht abhängig und es gibt keine Suchtentwicklung. Ein weiterer Grund für viele Patienten, die Einnahme von Antidepressiva zu verweigern, ist die Angst, dadurch ein „anderer Mensch“ zu werden. Niemand muss Angst haben, seiner Persönlichkeit beraubt zu werden.
Ein sachlicher Blick auf den Nervenstoffwechsel
Werfen wir einen Blick auf die Natur des Nervenstoffwechsels, um zu sehen was genau geschieht: Die sogenannten Neurotransmitter sind hier die wichtigsten Akteure: Der Mensch besitzt etwa 10 Mrd. Nervenzellen im Gehirn. An den Enden der Axone, die wie Beinchen oder kleine Arme zu hunderten von den Nerven ausgehend sitzen, verdickte Enden, die Synapsen. In kleinen Bläschen werden diese Neurotransmitter in die Synapsen transportiert, platzen an deren Oberflächen auf und gelangen aus der Nervenzelle um nach einem kurzen Weg zu den Rezeptoren, den Auffangstellen an den Synapsen der andere Nervenzellen. Damit werden auf chemischen Wege Signale im Gehirn übertragen – damit denken und fühlen wir. Neurotransmitter sind also Boten- bzw. Signalstoffe. Das sind Moleküle mit bekannten Namen wie Dopamin und Serotonin. Der Ausdruck Neurotransmitter ist abgeleitet von altgriechisch neuron „Sehne, Nerv“ und lateinisch transmittere „hinüber schicken, übertragen“.
Zu den modernen Wirkstoffen gehören beispielsweise die sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die nur geringe Nebenwirkungen haben. Sie blockieren speziell die Rezeptoren, die für die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Serotonin zuständig sind. Sie verhindern, dass das bereits ausgeschüttete Serotonin wieder in die Nervenzelle aufgenommen wird. Hierdurch kann der Neurotransmitter länger seine stimmungsaufhellende und angstlindernde Wirkung entfalten und damit den Menschen begleiten, seinen Alltag wieder zu bewältigen.
Die genauen Ursachen von Depressionen sind noch nicht alle bekannt und vieles wird in der Wissenschaft noch kontroversiell diskutiert. Man weiß jedoch, dass zumindest einer der Gründe ein Mangel am Neurotransmitter Serotonin sein kann.
Bewährte, getestete Medikamente sind als Generika verfügbar.
Die bekanntesten und vom Hausarzt meistverordneten Wirkstoffe dieser Gruppe sind zum Beispiel Fluoxetin, Citalopram, oder Sertralin. Diese Wirkstoffe sind als Generika verfügbar, da ihr Patentschutz abgelaufen ist.
Der Hausarzt fragt bei der Abklärung einer Depression auch nach Schilddrüsenerkrankungen, genauer nach der Schilddrüsenunterfunktion, denn diese kann auch Ursache einer Depression sein.
Antidepressiva bessern typische Symptome, wie
- Antriebslosigkeit
- Konzentrationsmangel
- und helfen nachhaltig Depressionen zu überwinden.
Dr. Christian Neuhauser, Oberarzt an der Abteilung für klinische Neurologie am Universitätsklinikum St. Pölten
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